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05.02.2018

„Euer offenes Ohr und Eure Präsenz dort vor Ort sind wichtig!“

(op) Diese Überschrift ist die knapp gefasste Antwort von Herrn Tobias Müller aus Etting auf die Frage, warum ein Seelsorger bei den Militäreinsätzen im Ausland wichtig ist. Dieses Thema und insgesamt die Thematik des Auslandseinsatzes eines Berufssoldaten stand am vergangenen Montagabend, dem 5. Februar, im Collegium Orientale (COr) im Mittelpunkt.

Im Rahmen unserer diesjährigen Werkwoche über die kategoriale Seelsorge wurde auf Initiative des außerordentlichen Spirituals des COr, Dr. Petro Stanko, derzeit Militärseelsorger am Standort Ingolstadt/Manching, ein Abend der Begegnung mit Herrn Hauptfeldwebel Tobias Müller organisiert. Der Abend war durch und durch ein Erfolg. Dafür sprechen nicht nur die inhaltlichen Ausführungen von Herrn Müller mit zahlreichen Bildern, Landkarten und Grafiken. Die Tatsache, dass sich an den knapp eineinhalbstündigen Vortrag eine fast dreistündige Diskussion angeschlossen hat, spricht für sich.

Zunächst wurde der Referent durch H. H. Domdekan em. Willibald Harrer vorgestellt, da sie sich beide aus der Zeit sehr gut kennen, in der der Herr Domdekan Pfarrer in Etting war; bis auf den heutigen Tag sind sie miteinander freundschaftlich verbunden.

Am Beispiel seines Einsatzes in Afghanistan in den Jahren 2010-2011 erzählte sodann der Herr Müller den angehenden Priesterkandidaten, wie sich die Soldaten auf einen Einsatz im Ausland vorbereiten und wie sie dafür sorgfältig ausgebildet, physisch trainiert und geistig eingestellt werden. Das gesamte Unternehmen stellt eine große Herausforderung dar und ist sowohl ein unheimlich großer logistischer Aufwand für das Militär insgesamt als auch eine Umstellung für den einzelnen betroffenen Soldaten und sein soziales Umfeld. Mithilfe einer sehr gut erarbeiteten PP-Präsentation berichtete Herr Müller – soweit erlaubt und für unsere Werkwoche interessant –, wie ein Auslandseinsatz verläuft, wie aufwendig und sorgsam an alles gedacht werden muss. Er brachte Beispiele aus dem täglichen Leben eines Soldaten im Einsatz in so einem Krisengebiet. Die Erlebnisse reichen von den ganz alltäglichen Dingen der vereinfachten Hygienemöglichkeiten, der Selbstverpflegung, den spontanen Bereitschaftsdiensten über plötzliche Angriffe des Feindes bis hin zu den Verlusten von Kollegen und Kameraden. Dabei mischen sich schöne und bittere Erfahrungen miteinander und jeder Soldat muss damit zurechtkommen. Die Soldaten werden in ihrer Existenz erschüttert, wenn z.B. plötzlich, trotz des mühsam aufgebauten Vertrauens zu der indigenen, verbündeten Bevölkerung, aus welchen Motiven auch immer hinterhältige Übergriffe, plötzlicher Beschuss und somit Verrat verübt werden. Dann wird man mit seelischen Verwundungen in sich und bei den anderen konfrontiert und muss mitunter auch dem Tod in die Augen schauen.

Alles, was man bei der Vorbereitung – manches bis zum vollen Automatismus – trainiert, erweist sich im Einsatz als notwendig, ja überlebenswichtig. Die physische Belastung ist groß. Man muss beispielsweise – konkret in Afghanistan – die täglichen Temperaturschwankungen von ca. 30 °C ertragen können, wobei im Sommer die Temperaturen bis zu +60 °C steigen und im Winter bis -25 °C erreichen können. Wenn man über Wochen hinweg immer wieder auf ein nur im geringen Maße abwechselndes Menü angewiesen ist, beginnt man die einfachen und dafür bunten Möglichkeiten von Speis und Trank in der Heimat zu schätzen, sagte der Referent, und wies auf die große Freude hin, die bei den Soldaten im Einsatz durch die Päckchen von zu Hause bewirkt wird.

Es gibt dabei auch angenehme Augenblicke der Ruhe und der Betrachtung der Natur und der wunderbaren Landschaften. Von der Heimat weit entfernt, wenn die online-Möglichkeiten der Kommunikation ziemlich oder ganz eingeschränkt sind, lernt man auch wieder Briefe zu schreiben. Die Freude über die erhaltene Post ist unaussprechlich groß!

Während des Einsatzes und besonders bei dessen Nachbereitung ist es wichtig, dass die Soldaten wieder zu sich und in die normalen Verhältnisse zurückkommen und alle Erfahrungen, besonders die bitteren, verarbeiten können. Als gläubiger Mensch hat man immer die Möglichkeit, mit Jemand ins Gespräch zu kommen, sei es in der ruhigen Einsamkeit der Feldkapelle, sei es im Gespräch in den sogenannten Oasenrunden (= gemütliche Abende der Begegnung mit Geistlichen in den Einsatzzonen) oder einfach ein spontanes Vaterunser oder ein sonstiges bewusstes Stoßgebet, wenn man gerade ausrücken muss. Als überzeugter Christ sagt Tobias Müller war es für ihn wichtig, dass die Soldaten sich aussprechen können, und zwar im Einsatz wie auch nach der Rückkehr in der Heimat. Hier meint er sind dann nötigenfalls nicht nur gute Psychologen und Ärzte wichtig, sondern auch geistliche Vertreter der Kirchen, evangelisch und katholisch, und das nächste soziale Umfeld der betroffenen Soldaten, die Familie und der Freundeskreis. Ein offenes Ohr und eine offenes Herz werden explizit oder auch nur intuitiv gesucht. Die Sehnsucht ist dann nach jemand, der da ist und dem man sich anvertrauen kann, sehr groß; deren Erfüllung ist sehr hilfreich.

Lieber Herr Müller, ein herzliches Dankeschön für den bereichernden Abend mit Ihnen und dass Sie sich durch unsere nicht endenden Fragen unendlich löchern ließen! Danke, dass Sie uns an den kostbaren existenziellen Erfahrungen Ihres Soldatenlebens teilhaben ließen! Ihnen alles Gute und Gottes Segen!

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