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08.06.2023

Ikonen erzählen vom Krieg in der Ukraine

Im Collegium Orientale, dem ostkirchlichen Priesterseminar in Eichstätt, ist vom 10. Juni bis 31. Juli eine Ausstellung mit 50 Ikonen aus der Ukraine zu sehen. 20 Künstlerinnen und Künstler haben sich in ihren Werken mit dem Krieg und auch persönlichen Schicksalsschlägen auseinandergesetzt. "Erfahrungen des Krieges hervorheben, verstehen und loslassen" – das soll dieser künstlerische Zugang ermöglichen.

[Die Eröffnung der Ausstellung findet am Samstag, 10. Juni 2023 im Collegium Orientale statt: 17:00 Uhr: Große Vesper zum Sonntag in der Heilig-Geist-Kapelle, anschließend: Eröffnung mit kleinem Empfang. Herzliche Einladung an alle Interessierten!]

Hlafira Shcherbak ist 27 Jahre alt, aufgewachsen ist sie auf der Halbinsel Krim. Als diese 2014 von Russland annektiert wurde, flüchtete sie mit ihrer Familie in den Westen der Ukraine – nach Lviv. Dort absolvierte Hlafira Shcherbak ein Studium an der Kunstakademie mit dem Schwerpunkt auf sakraler Kunst. Die junge Frau hat bereits an der Ausmalung von Kirchenfresken mitgearbeitet und war in der Kunstwerkstatt der griechisch-katholischen Kathedrale in Lviv tätig. Doch dann hat der Angriffskrieg Russlands ihr Leben verändert wie bei vielen Ukrainerinnen und Ukrainern. Ihr Verlobter wurde bei den Kämpfen um das Stahlwerk in Mariupol getötet. „Nach dieser Erfahrung konnte ich zunächst überhaupt nicht mehr künstlerisch arbeiten, ich war wie gelähmt“, sagt Hlafira Shcherbak und dabei muss sie mit den Tränen kämpfen. Nach und nach suchte sie wieder nach Stabilität im Leben – über die Kunst kam diese langsam zurück.

Hlafira Shcherbak hat sich „Icon Art“ angeschlossen, einem Kollektiv von Künstlerinnen und Künstlern in der Ukraine, die sich mit zeitgenössischer Sakralkunst befassen und so die lange und reiche Tradition historischer Kunstformen im Kontext moderner Kultur neu interpretieren. In Lviv hat „Icon Art“ eine Galerie. In einem Projekt wurden Ikonen geschaffen, die sich mit dem Krieg und seinen Folgen auseinandersetzen. Ikonen sind Kult- und Heiligenbilder, die überwiegend in den Ostkirchen, besonders in den orthodoxen Kirchen des byzantinischen Ritus verehrt werden. Die Ikonen, die nun im Rahmen der Ausstellung in Eichstätt zu sehen sind, entsprechen jedoch nicht dem gewohnten Bild. Krieg, Tod und Hunger werden hier neben Heiligendarstellungen visualisiert. Hlafira Shcherbak deutet auf eines ihrer Werke, auf dem vier Gesichter zu sehen sind. Aufgemalt sind sie auf eine Karte. „Als mein Vater für ein paar Tage Urlaub vom Militärdienst bekommen hat, brachte er diese Karte mit – sie zeigt den Verlauf der Front, an der er stationiert war.“ Auf einer anderen Ikone ist der Heilige Nikolaus zu sehen. Er trägt kein goldenes oder rotes Gewand, wie man es von anderen Darstellungen kennt. Das Kleid in Tarnfarben ähnelt vielmehr einer Soldatenuniform – eine bedrückende Darstellung. Und doch will das Kunstwerk eine positive Botschaft aussenden, wie die Künstlerin betont: „Nikolaus ist ein Heiliger, mit dem wir alle Hoffnung verbinden – diese Erwartung an ein Wunder, die haben wir in der Ukraine auch.“

Die Ausstellung will das Erlebnis des Krieges durch die Augen von Künstlerinnen und Künstlern veranschaulichen, erläutert der Vizerektor des Collegium Orientale, Markian-Illia Mykytchyn, die Idee. Er hat den Kontakt zu „Icon Art“ hergestellt und die Ausstellung organisiert. „Es war nicht einfach die Ikonen aus der Ukraine nach Deutschland zu bringen.“ Zwei Monate lang sollen die 50 Ikonen in den Räumlichkeiten des Collegium Orientale zu sehen sein. Alle Bilder können käuflich erworben werden – der Erlös kommt den Künstlerinnen und Künstlern zugute.

Die Ausstellung ist von 10.6. bis 31.7. täglich von 14 bis 18 Uhr zu besichtigen im Collegium Orientale, Leonrodplatz 3.

Text und Fotos: Dr. Christian Klenk