Wegweiser für das Geistliche Leben im Collegium Orientale, Eichstätt
Das Collegium Orientale (COr) ist ein ostkirchliches Priesterseminar, eine internationale, interkonfessionelle, interrituelle Einrichtung des Bistums Eichstätt, mit der Zielsetzung, dass Seminaristen, Diakone und Priester aus verschiedenen, sowohl katholischen als auch orthodoxen / orientalischen Ostkirchen, zusammen kommen, an der Theologischen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) studieren, zusammen unter einem Dach leben, miteinander beten und so, neben dem Studium, in ihrer geistlichen Berufung reifen, einander begegnen, einander besser kennenlernen und auf diese Weise dem Gebot Christi, „damit alle eins werden“ (Joh 17,21), ein Stück näher kommen. Das Collegium Orientale will mit dessen Gründung seinen Betrag leisten auf dem Weg der Ökumene und der Annäherung von Kirchen verschiedener Riten und Traditionen.[1]
Des Weiteren nimmt sich das COr zum Ziel, neben der menschlichen, intellektuellen und pastoralen Dimension einen besonderen Wert auf die geistliche Dimension der Studienzeit zu legen (vgl. Ratio Fundm. §§ 89-124). In diesem Sinne sind der Dienst und der Einsatz eines Spirituals im COr unverzichtbar. Der Spiritual ist der offizielle Geistliche Leiter der Seminargemeinschaft (director vitae spiritualis) und zugleich Geistlicher Begleiter der einzelnen Seminaristen; für diesen Dienst ist der Spiritual unmittelbar vom Bischof bestellt worden und tritt als Geistlicher Vater (vgl. 1 Kor 4,15) für die Seminaristen interhalb des „Forum Internum“ auf. Das priesterliche Leben kann nur Früchte bringen, wenn der Priesterkandidat eine lebendige Beziehung zu Gott pflegt, wenn er mit Liebe, Geduld und Verständnis anderen Mitmenschen begegnet und schließlich, wenn er den inneren Frieden bzw. innere Ruhe in sich hat. Daher ist es von höchster Priorität für die Geistliche Ausbildung im COr, diese drei Ausrichtungen wachsen und walten zu lassen.
In das Aufgabefeld des Spirituals im COr gehört Folgendes:
- Am „Stillen Abend“, in der Regel jeden zweiten Montag in der Woche innerhalb der kleinen Komplet, hält der Spiritual einen geistlichen Impuls zu einem Thema, je nach den Bedürfnissen und Fragen der Seminaristen ausgewählt (Themenliste siehe unten).
- Am „Geistlichen Abend“, in der Regel abwechselnd mit dem „Stillen Abend“, nehmen sich die Seminaristen in Eigenverantwortung Zeit für ihr geistliches Studium.
- Die Lectio divina wird wöchentlich für die Magisterstudenten eingeübt.
- Regelmäßige, einzelne geistliche Gespräche mit jedem Seminaristen (unabhängig davon, ob Spiritual dessen Geistl. Begleiter ist).
- Begleitung der Seminaristen vor der Diakonen-, Priesterweihe sowie vor dem Ehesakrament (falls gewünscht).
- Mitwirkung bei der Wahl des Ortes und bei der Auswahl des Exerzitienmeisters für die Hausgemeinschaft.
- Als Beichtvater ist er jederzeit bereit das Bußsakrament zu spenden bzw. er bestimmt feste Zeiten für die Beichtgelegenheit im COr.
- Erstellung der Gottesdienstordnung in der Heilig-Geist-Kapelle und deren Gestaltung; Verteilung der Dienste für Priester, Diakone und Ministranten im COr.
- Hausführungen für Besuchergruppen, besonders für Kinder und Jugendliche.
- Teilnahme an Fortbildungen, Kursen und an den Spirituale-Konferenzen in Deutschland und außerhalb.
Neben dem Spiritual im COr werden vom Bischof bzw. Rektor auch andere Priester bestellt, die als Geistliche Begleiter und Beichtväter für die Kollegiaten gelten. Einer der Priester ist Angehöriger der orthodoxen Kirche und wird bestellt für die Begleitung der orthodoxen Seminaristen; er bietet für sie die Beichtgelegenheit an und feiert einige Male im Studiensemester die Göttliche Liturgie, an der die ganze Hausgemeinschaft teilnimmt.
Zur Geistlichen Ausbildung eines Kollegiaten gehören folgende Punkte, die jeder einzelne vor seiner Weihe zu bedenken hat:
- Jeder Kollegiat muss das Gebet praktizieren können/wollen, sei es als persönliches Gebet (Jesusgebet, Rosenkranz, Psalmodie, Wiederholung der Bibelversen) oder als Stundenliturgie (Vesper, Komplet, Orthros oder Horen).
- Der Höhepunkt und die Quelle des Geistlichen Lebens eines Kollegiaten ist die aktive Teilnahme an der Hl. Eucharistiefeier.
- Jeder Kollegiat soll sich Zeit nehmen für das tägliche Lesen der Heiligen Schrift sowie deren Meditation.
- Jeder Kollegiat soll, im Hinblick auf seine künftige Geistliche Vaterschaft, einen Geistlichen Begleiter / Geistlichen Vater haben, den er sich selber auswählt und mit dem er sich regelmäßig trifft. Dieser kann unter anderen auch der Spiritual im COr sein. Einen Geistlichen Vater zu haben ist für jeden verpflichtend, wobei der Rektor, die Vizerektoren oder der Spiritual Priester oder qualifizierte Laien außerhalb des Hauses empfehlen, aber keineswegs bestimmen dürfen. Der Name eines ausgewählten Geistlichen Begleiters / Geistlichen Vaters muss im Rektorat bekannt gegeben werden.
- Jeder Kollegiat soll regelmäßig in der Hl. Beichte vor Gott treten, wobei er sich selber seinen Beichtvater auswählt.
- Jeder Kollegiat soll an den Werkwochen des COr teilnehmen.
- Jeder Kollegiat ist verpflichtet, an den jährlichen Hausexerzitien teilzunehmen.
- Jeder Kollegiat soll sich Zeit nehmen für Einkehrtage, wie z. B. Rekollektio, Schweigen, „Wüstentag“ oder Wallfahrt.
- Jeder Kollegiat soll auf seinen eigenen Lebensstil achten, z. B. auch auf seine äußere Erscheinung. Welche Kleidung trägt er? Hat er eine gewisse Essenskultur? Wie verhält er sich im Seminar und wie ist sein Verhalten in den Ferien zu Hause? Achtet er auf die Feste im liturgischen Herrenjahr?
- Jeder Kollegiat soll bedenken, dass in der Hausgemeinschaft auch geweihte und erfahrene Priester und Diakone, Zölibatäre oder Mönche, wohnen; deren Anwesenheit ist von großer Bedeutung und soll hochgeschätzt werden als Bereicherung für alle; doch diese sollen sich dessen bewusst sein, dass sie Vorbilder im Geistlichen Leben und im Beistand für andere sind.
- Jeder Kollegiat soll auch bedenken und Verständnis dafür aufbringen, dass in der Hausgemeinschaft auch verheiratete Kollegiaten (Familien, Frauen und Kinder) wohnen. Der Umgang mit ihnen ist eine Hilfestellung für die Wahl des eigenen Standes und ermöglicht schon jetzt einen Einblick in die künftige seelsorgliche Arbeit. Die verheirateten Priester und Diakone sollen sich dessen bewusst sein, dass auch sie Vorbilder in geistlicher und priesterlicher Lebensführung sind.
[1] Mehr dazu vgl. Geistliches Typikon, Eichstätt 2003; Statut für das Collegium Orientale der Diözese Eichstätt, 2020.
Themen der Geistlichen Ausbildung im COr
I. Säulen des geistlichen Lebens
1 - Definition und Grundlagen geistlichen Lebens
2 - Heiligkeit und Heiligung im Zeugnis der Heiligen Schrift
3 - Berufung und Gottes Wille
4 - Unterscheidung der Geister
5 - Gebet:
5.1 Formen und praktische Hilfen
5.2 Not und Segen des Gebetes
5.3 Beten »ohne Unterlaß«
6 - Nachfolge und Nachahmung Christi
7 - Ikonen im Geistlichen Leben
8 - Hören und Gehorsam (1 Sam 3,9)
9 - Reifungsphasen und -krisen
10 - Lectio divina
11 - Sinn und Herausforderung einer geistlichen Einkehr
12 - Exerzitien und Rekollektio
13 - Schweigen und Reden
14 - Wallfahrt
15 - Geistliche Vaterschaft
16 - Geistliche Rituale
17 - Schöpfung
18 - Geistliche Lebensordnung
19 - Geistliche Gebetsordnung (»Mein Kanon«)
20 - Die Gottesgebärerin – Verehrung
II. Askese und Buße
1 - Askese - Sinn und Ziel
2 - Mystik
3 - Vergöttlichung
4 - Buße und Beichte
5 - Vergebung und Versöhnung - mit Gott und dem Nächsten
6 - Beichtvater und Geistlicher Begleiter
7 - Geistliche Begleitung
8 - Fasten und Wachen
9 - Umgang mit den Logismoi und den Lastern
10 - Geistlicher Kampf
11 - Geistliche Ideale und Vorsätze
III. Liturgie - Quelle der priesterlichen Heiligung
1 - Quelle und Höhepunkt christlichen Lebens
2 - Mitfeier am Sonntag und Werktag
3 - Vor- und Nachbereitung der Liturgie
4 - Ars celebrandi
5 - Tagzeitenliturgie
6 - Psalmen und Hymnen
7 - Troparien und Kondakien
8 - Immerwährendes Gebet
IV. Studium und Gebet im Leben eines Seminaristen
1 - Ausbildungs- und Heiligkeitsideal
2 - Studium und geistliches Leben
3 - Wie treffe ich eine Lebensentscheidung?
4 - Regelmäßigkeit und Häufigkeit der Teilnahme an der Liturgie
5 - Die innere Einstellung zum Studium
6 - Krisen und Durststrecken im Studium
7 - Herausforderungen eines Studiums
8 - Praktische Hilfen für die Examenszeit
9 - Ursachen und Bewältigung von Krisenzeiten
10 - Akedia
11 - Freizeit - Sport - Erholung - Ferien - Wochenende
12 - Familie: meine Herkunft - meine Nöte - meine Fragen
13 - Umgang mit Geld und Eigentum
14 - Bereitung auf Ehe und Familie
15 - Suche und Wahl einer Frau
16 - Liebe vor und nach der Weihe
17 - Liebe vor und nach der Hochzeit
18 - Sexuelle Reife und Unreife
19 - Monastische Berufung
20 - Priesterseminar und Ernstfall des Lebens
21 - Correctio fraterna
V. Gabe und Aufgabe priesterlichen Daseins
1 - Gemeinsames und besonderes Priestertum
2 - Existenz und Identität des Priesters
3 - Theologie und Spiritualität des priesterlichen Dienstamtes
4 - Der Priester als »Ikone« Christi
5 - Die affektive Reife eines Priesters
6 - Abraham und das Wanderleben eines Priesters
7 - Äußere Erscheinung eines Priesters
8 - Lebenskultur eines Priesters
9 - Seligpreisungen als Programm eines priesterlichen Lebens
10 - Pastoraler Dienst und seine Regeln
11 - Umgangsformen eines Priesters
12 - Sprache und Gebaren eines Priesters
13 - Priesterlicher Lebensstil
14 - Krisen im priesterlichen Leben
15 - Reifung und ihre Prozesse
16 - Priester und Frau
17 - Ehe und Familie im Leben eines Priesters
18 - Priesterbilder in der kirchlichen Tradition (Johannes Chrysostomus/Gregor
der Dialoge u.a., Amtliche Verlautbarungen)
19 - Priester und Jugendliche
20 - Missbrauch: Umgang und Gefahren
21 - Vita communis von Priestern
22 - Kirchliche Autorität: Gehorsam und Konflikte
23 - Krise der Kirche - Krise der Priester
24 - Reifung im priesterlichen Leben
25 - Psychologie des priesterlichen Lebens (Gottesbilder, Suchtverhalten, Aggressionn und Eros, Ängste, Skrupel usw.
26 - Klerikalismus
27 - Häufigkeit der Zelebration
28 - Homilie und Predigt
29 - Armut im Lebensstil eines Priesters
VI. Evangelische Räte als Grundform christlichen Lebens
1 - Leben nach dem Evangelium
2 - »Gebote« des Evangeliums und evangelische »Räte«
3 - Ehelosigkeit als evangelischer Rat
4 - Gehorsam als evangelischer Rat
5 - Lebensstil eines Priesters in einer Wohlstandsgesellschaft
6 - Theologie des Leibes
7 - Sinn von Jungfräulichkeit
8 - Keuschheit
9 - Unreife Umgangsformen der Sexualität
10 - Armut als evangelischer Rat
VII. Das geistliche Leben im Alltag
1 - Geistliche Lebensordnung im Alltag
2 - Die Bereitung des »Leibes«
3 - Kultur des Essens und des Mahles
4 - Die geistliche »Zelle«
5 - Der geistliche Umgang mit der Zeit
6 - Die geistliche Auswertung des Tages im Angesicht Gottes
7 - Der geistliche Umgang mit der Musik
8 - Gastfreundschaft
9 - Träume und ihre Bedeutung
10 - Sakrament des Augenblicks
11 - Leben in der Gegenwart Gottes
12 - Besuch der Kirche und des Altares, der Ikone und der Reliquien
13 - Jesusgebet und Rosenkranz
Dr. Ivan Kachala, Spiritual
Stand: 30.11.2020
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